1922-1952

Zu Beginn der Zwanzigerjahre lässt die Begeisterung für das ganzjährige Turnen unter freiem Himmel mehr und mehr nach. Immer wieder beklagt der Vorstand das mangelnde Interesse der Mitglieder an den festgesetzten Turnstunden. 1922 sollen dann auf dem Turnplatz, der ohnehin viel zu klein geworden ist, mehrere Häuser erstellt werden. Da sich der Verein nicht stark genug fühlt, den Bau einer Turnhalle allein zu schultern, wird zunächst ein neuer Turnplatz gesucht. Gleichzeitig wird ein Baufond aufgelegt und Anteile daraus verkauft für den Neubau einer Turnhalle. Mit den übrigen Pfrondorfer Arbeitervereinen wird über die Gründung eines Vereinskartells verhandelt, ein Ergebnis kommt aber zunächst nicht zustande. Erschwerend kommt die immer schneller fortschreitende Geldentwertung hinzu. Waren im Gründungsjahr noch 20 Pfennige Monatsbeitrag pro Mitglied zu bezahlen, so steigt der Betrag im Januar 1923 auf 50 Mark, im April auf 100 Mark, im August aber bereits auf 6.000 Mark. Die Auslagen für Licht im Turnhaus betragen 102.000.000.000 (102 Milliarden) Mark, die die bei der Sitzung anwesenden Mitglieder freiwillig sofort zusammenlegen. Der Traum von der eigenen Turnhalle bleibt aber weiter bestehen und schließlich findet das Vereinskartell doch noch zusammen, das den Bau der Turnhalle gemeinsam betreibt.

Zwei Jahre lang wird die Gemeinde bearbeitet, dann stimmt der Gemeinderat Pfrondorf im Mai 1924dem Sportplatz auf dem Höhberg zu. Das Vereinskartell beginnt sofort mit den Arbeiten am Sportplatz und nimmt auch die neue Turnhalle in Angriff. Beides zusammen überfordert aber wohl doch die Leistungsbereitschaft der Mitglieder. Die Arbeiten gehen nicht so zügig vonstatten, wie der Vorstand sich dies wünscht. Immerhin ist beim Herbstfest im September 1925 die Turnhalle wohl im Rohbau fertig, denn „leider ließ das programatische (gemeint ist wohl der Programminhalt) zu wünschen übrig und auch der Wettergott machte ein derbes Gesicht, wodurch man sich genötigt sah, in der Turnhalle weiter zu festen“. Die offizielle festliche Einweihung der Turnhalle findet erst am 27. Juni 1926 durch das Vereinskartell statt.

Im Frühjahr 1924 ereignen sich eigentlich „unerhörte“ Dinge: nicht die Gründung der Faustballabteilung, die für das erste Spielgerät, einen Faustball, im Verein sammelt, sondern die Gründung einer Damenriege, die sogar beim Herbstfest 1924 öffentlich ihr Können vorführt – neben dem ersten Spiel der Faustballmannschaft. Die Emanzipation hat Pfrondorf deutlich früher erreicht als große Teile der Weimarer Republik.

Eine weitere neue Sportart, bei der zwei Mannschaften mit jeweils elf Spielern einem Ball hinterherjagen, findet auch Anhänger in Pfrondorf. Zum 25-jährigen Vereinsjubiläum werden die ersten Fußballspiele gegen auswärtige Mannschaften ausgetragen. An mahnenden Worten fehlt es nicht: „Die Fußballer sollen sich auch auf das Turnen und die Leichtathletik verlegen und nicht nur einseitig Sport treiben“. Hat sich das heute geändert?

Ab 1929 fehlen die Protokolle des Turnvereins. Während des Dritten Reiches werden die Sportvereine im „Verein für Leibesübungen“ gleichgeschaltet. Die Turnhalle geht entschädigungslos an die Gemeinde über. Zwar findet weiterer Sportbetrieb statt, vor allem die Fußballabteilung ist noch aktiv, doch hat die Partei den Sport vereinnahmt und den Verein in „VfL Pfrondorf“ umbenannt. Unabhängiges Vereinsleben wird untersagt. Mit Kriegsbeginn sind die meisten Aktiven eingezogen worden, zurück bleiben die Schüler, die in der Hitlerjugend zwangsweise organisiert sind. Erst mit dem Ende des 2. Weltkrieges rappelt sich der Verein wieder auf, und 1946 wird der Sportbetrieb – noch ohne Verein – wieder aufgenommen.

Dabei sind auch unerwartete Schwierigkeiten zu überwinden. Die Ersten, die sich in der völlig verwahrlosten Turnhalle einfinden, sind die Turner. Von den Geräten sind die meisten nicht mehr vorhanden. Vieles ist nicht mehr gebrauchsfähig und dem Seitpferd hat jemand das Fell abgezogen. Die Decke aus schönem, weichem Leder ziert jetzt vermutlich wieder Füße – diesmal menschliche in Form von Schuhen.

Auch nach dem Ende des 2. Weltkrieges gehört das Vereinsleben zunächst nicht zu den vordringlichen Bedürfnissen. Das Leben nach der Besatzung und mit den Besatzungsmächten ist hart und so wird erst 1948 ein Neuanfang gewagt.

Wieder in der Wirtschaft „Zur schönen Aussicht“ wird eine neue Gründungsversammlung abgehalten. Schon der neue Name des alten Vereins bereitet Kopfzerbrechen. Mit dem gleichgeschalteten VfL sollte keine Verbindung mehr bestehen und auch die alte Bezeichnung als Turnverein drückte nicht die angestrebte Vielfalt der sportlichen Aktivitäten aus.

Man einigt sich auf die umfassende Namensgebung „Sportverein Pfrondorf (SVP)“. Gründungsmitglieder sind die Sparten Turnen (und zwar Männer und Frauen), Leichtathletik, Radfahren und Fußball. Die Beiträge werden auf moderatem Niveau festgelegt: Aktive und Passive bezahlen 1 DM, Jugendliche unter 18 Jahren 50 Pfennige.

Anfangs ist das Engagement kaum zu zügeln. Im Bericht über das Sportfest, das im Juli 1949 in Pfrondorf abgehalten wird, ereifert sich der Schriftführer: „Der SV Pfrondorf unterlag dem SV Derendingen knapp mit 1:2 Toren durch Elfmeter – eine krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichters“. Bereits im August aber gibt der Vorstand Bericht „über das in letzter Zeit sehr zurückgegangene Vereinsleben“. In der Mannschaft fehle jeglicher Zusammenhalt und Kameradschaft. Der Schriftführer notiert, dass das Vereinsleben „in den einzelnen Sparten zum Teil ganz darniederliegt“. Der Spielleiter der Sparte Fußball wird gefeuert.

An Initiative fehlt es dennoch nicht. 1950 wird eine Abteilung Tischtennis ins Leben gerufen, die später – Mitte der Siebzigerjahre – zu den erfolgreichsten des Vereins gehören wird und als eine der besten Vereinsmannschaften im Kreis Tübingen bis in die Landesliga aufsteigt. Auch die Abteilungen Frauenturnen und Radfahren werden wieder aktiviert. Bei ihrem ersten Auftritt zur Weihnachtsfeier 1952 ernten beide Abteilungen großen Beifall.